Rundmail Juni 2023

Liebe Freunde des Solidaritätskreises Westafrika,

beflügelt und motiviert von unserer Rundreise durch Burkina Faso im Januar 2023 haben wir beim BMZ einen Zuschussantrag über 1 Million Euro für ein neues Schulbauprogramm 2023-2025 gestellt.
Wir hatten nun eine außerordentliche Vorstandssitzung und sind aus verschiedenen Gründen zu dem Entschluss gekommen, unseren Antrag 2023-2025 zurückzuziehen und in der Zusammenarbeit mit dem BMZ vorerst eine Pause eintreten zu lassen.
 
Wir haben uns diese Entscheidung nicht leichtgemacht, aber am Ende gab es zu viele Punkte, die uns dazu veranlasst haben, diesen Entschluss zu fassen:

–          Ein großer Einflussfaktor für diese Entscheidung ist die Sicherheitslage in Burkina Faso. Zunehmender islamistischer Terror hat in Burkina Faso zum Tod tausender Menschen geführt und über 2 Millionen Menschen in die Flucht getrieben. Dadurch bedingt verzeichnet Burkina Faso eine steigende Anzahl von Schulschließungen (gerade im Norden sind sicherlich auch vielen Schulen von uns betroffen) aufgrund von terroristischen Bedrohungen oder Angriffen. Wie aus dem statistischen Datenbericht von Education en Situation d’Urgence (Bildung in Notsituationen) hervorgeht, liegt die Anzahl der geschlossenen Einrichtungen mittlerweile (Stand 31. Oktober 2022) bei 5.709 Einrichtungen. Diese Schließungen machen etwa 22% der Bildungseinrichtungen in Burkina Faso aus und betreffen 1.008.327 Schüler, davon 490.622 Mädchen (48,66%) und 517.705 Jungen (51,34%), sowie 28.919 Lehrer. Wir haben zwar bereits bei der Schulauswahl die Sicherheitshinweise zu den einzelnen Gebieten ausgewertet und haben die Projekte der Lage/Situation angepasst, aber natürlich bleibt ein Restrisiko sowohl für unsere Leute und Dienstleister vor Ort als auch für die lokalen Projektträger. An 4 Collèges, die wir im Schulbauprogramm 2020-2022 in der Region Boucle de Mouhoun neu gebaut haben, findet derzeit ebenfalls kein Unterricht statt.
 
–          Ein weiterer Punkt ist die politische Instabilität und der zumindest teilweise drohende Staatszerfall in Burkina Faso. Nach 2 Putschen im letzten Jahr herrscht in der Verwaltung absolutes Chaos. Sämtliche Positionen und Ämter wurden ausgetauscht, gerade auch bei den Schulbehörden auf regionaler und provinzialer Ebene. Wir haben mehrfach versucht, auch über Kontakte direkt zum Bildungsminister, an die neuen Ansprechpartner heranzukommen, haben diese aber bis heute nicht erhalten. Bei der Rundreise haben wir zudem festgestellt, dass die neuen Verantwortlichen oftmals nicht eingearbeitet sind und keinen Überblick haben. Die Zusammenarbeit mit den Schulbehörden ist wichtig, da der Staat die Schulen nach dem Bau betreiben muss und auch Lehrer schicken muss. Wir benötigen für die Messung unserer Ergebnisse gemäß der Wirkungsmatrix  des BMZ die Zahlen und Auswertungen der Schulbehörden, insbesondere im Bereich Schülerzahlen. Auch für unsere Fortbildungsprojekte benötigen wir Genehmigungen von den burkinischen Behörden (beispielsweise Gesundheitsministerium für Aufklärungsunterricht), deren Einholung deutlich schwerer geworden ist. Der Staat ist im Umgang mit NGOs vorsichtig geworden und prüft derzeit sehr genau sämtliche Hintergründe und Daten.
 
–          Auch das Thema personelle Ressourcen macht uns zu schaffen. Gerade die Implementierung der Capicity-Developpement-Projekte bindet nach wie vor viel Kapazität, auch wenn die Projekte nun eigentlich ganz gut ans Laufen gekommen sind. Die Auflösung der AMPO-Abteilung von PPFILLES zum 31.12.2022 stellt uns aber wieder vor schwierige Entscheidungen, um den Aufklärungsunterricht für das Schuljahr 2024/25 zukunftssicher zu gestalten. Unsere eigene Leistungsfähigkeit hat eine kritische Grenze erreicht oder gar überschritten. Die altersbedingte abnehmende Leistungsfähigkeit meines Vaters kann von meiner Schwester Claudia Blech (2. Vorsitzende) oder mir nicht vollends kompensiert werden, gerade auch im Hinblick auf die ständig wachsenden Anforderungen des BMZ.  Unsere Kinder (Claudia Blech 4 und ich 3) und unsere anspruchsvolle und herausfordernde Jobs machen eine Ausweitung der ehrenamtlichen Tätigkeiten unmöglich. Die Einstellung von Personal wäre zwar grundsätzlich eine Option, jedoch ist uns dies zu risikoreich und die Prozesse und Anforderungen sind für eine solche Stelle doch sehr speziell. Auch die Ressourcen unseres Repräsentanten und Organisators vor Ort sind beschränkt, und zusätzliche Aufgaben wie die vom BMZ geforderten offizielle Ausschreibungen / Machbarkeitsstudien und Ähnliches sind nicht zu realisieren.
 
–          Auch die immer aufwendigeren Antragsformalitäten und Nachweisführungen für die BMZ-Fördermittel wirken sich zunehmend negativ auf unsere oben beschriebenen personellen Ressourcen sowohl in Deutschland als auch in Burkina Faso aus. Zudem wächst (gefühlt von Antrag zu Antrag) durch die Implementierung immer neuer Richtlinien und Kriterien das Risiko der Vereine, bei einer vertieften Prüfung durch den Bundesrechnungshof etwas übersehen zu haben und ggf. Mittel zurückzahlen zu müssen. Spezielle Dinge wie beispielsweise ein neues Verfahren zur Auftragsvergabe oder Machbarkeitsstudien nach DAC oder OECD-Kriterien sind doch sehr komplex und für Ehrenämtler kaum zu durchblicken. Auch Hinweise, dass man sogar aufgefordert werden könnte, Stellenbesetzungen zu begründen und Stellenausschreibungen offenzulegen, tragen zu dieser Sorge bei. Uns war immer bewusst, dass wir uns teilweise in Bezug auf die offiziellen Förderrichtlinien in einer geduldeten Grauzone bewegen. Die Anwendung von europäischen und deutschen Richtlinien und Kriterien für Entwicklungshilfeprojekte ist in den letzten Jahren immer weiter forciert worden. Dies geht unserer Meinung nach an der Realität in Burkina Faso oftmals vorbei und ist für uns und unseren Repräsentanten kaum durchführbar. Die zunehmend holprige Zusammenarbeit mit dem burkinischen Staat und insbesondere den Schulverwaltungen wird uns in der Nachweisführung der definierten Zielwerte gemäß unseren Anträgen vor große, vielleicht nicht lösbare Herausforderungen stellen, zumal wir die Schulen zum Teil aufgrund der Sicherheitslage nicht selbst besuchen und evaluieren können.
 
 
Wir hoffen, dass das BMZ und Engagement Global es in Zukunft schaffen, Hürden abzubauen und ihre Anforderungen der reellen Lage in den einzelnen Entwicklungsländern anzupassen und die Verfahren zu vereinfachen, damit gerade auch kleine Vereine wie wir, die meist ehrenamtlich arbeiten, Zuschüsse erhalten können und nicht ständig Regresse befürchten müssen.
 
Wir möchten uns bei unserer Sachbearbeiterin bei Engagement Global, Frau Saul, ganz herzlich bedanken. Sie hat uns immer großartig unterstützt und vermittelt. Sie hat viele Jahre in Burkina gelebt und sie kennt das Land und die Leute. Wir haben gespürt, dass es ihr ein besonderes Anliegen ist, diesen Menschen zu helfen. Sie hat – wie wir – bereits viel Arbeit in den neuen Schulbauantrag 2023-2025 investiert, den wir nunmehr zurückziehen, da uns die bürokratischen Anforderungen des BMZ überfordern und wir Regresse vermeiden wollen.
 
Wir bedanken uns aber auch beim BMZ, besonders bei Frau Oeliger, für die langjährige Unterstützung. Bei dem Brandgespräch im Dezember haben wir gespürt, dass sie uns wohlgesonnen ist und unsere Arbeit schätzt. Ohne das BMZ wäre es nicht möglich gewesen, in den vergangenen 30 Jahren 181 Grundschulen und 270 Collèges zu bauen und ca. 160.000 Kindern einen Zugang zur so wichtigen Schulbildung zu geben. Über das jahrzehnte lange Vertrauen und die Wertschätzung unsere Entwicklungsarbeit haben wir uns sehr gefreut.
 
Vielleicht verändert sich die politische Lage wieder und vielleicht werden die bürokratischen Anforderungen des BMZs an die Realitäten in den Entwicklungsländern und an die Leistungsfähigkeit kleiner Vereine angepasst, sodass wir dann auch wieder Zuschussanträge stellen können.
 
Die Entscheidung dieses Jahr mit einem Zuschussantrag zu pausieren, bedeutet nicht, dass wir als Verein nicht weitermachen oder komplett resignieren. Wir haben jährliche Spendeneinnahmen von ca. 350.000 Euro und können damit jedes Jahr ohne bürokratische Hürden über 10 Schulen aus Eigenmitteln bauen, besonders in den Orten, wo sich viele Flüchtlinge aufhalten. Wir werden jedoch das  Projekt „Start-Up“ und den Aufklärungsunterricht mit AMPO ab dem Schuljahr 2024-2025 einstellen und die Personen entsprechend informieren. Die Aufklärungsarbeit in Banfora und auch das Mädcheninternat Foyer Sainte Monique wollen wir aus Eigenmitteln weiter finanzieren.
 
Wir hoffen nun sehr, dass unsere Spender unsere Entscheidung akzeptieren und uns nicht im Stich lassen, sondern uns weiterhin so großzügig unterstützen.
 

Es grüßt herzlich

Charly und Michael Simonis,
Claudia Blech